Aha-Momente, Anders-Leister

Generationenbashing als Führungs-Fehlleistung

Generationenbashing als Führungs-Fehlleistung

Junge Mitarbeiter leisten zu wenig?

Generationenbashing ist eine Ausrede lernunfähiger Führungskräfte und Ausdruck schlechter Führungsleistung.

Die aktuelle Story-Line

Gerade ist Party-Stimmung in Sachen Gen Z- und Alpha-Bashing. Die Post-Corona-Schonfrist ist vorbei – die Jungen genossen nach den harten staatlichen Maßnahmen während der Pandemie erst mal Welpenschutz, weil sich alle schämten.

KITA’s und Schule unterbrochen, Kontaktsperre, Ausgehverbote. Das Sozialleben der meisten Kinder und Jugendlichen während dieser Zeit wurde von der Gesellschaft kurzerhand ausgesetzt.

Und nun strömen sie in die Firmen – und haben was im Kopf? Work-Life-Balance, Arbeit, die Spaß macht, nette Kollegen und pünktlich Feierabend. Dass es in vielen Unternehmen an Innovations- und Leistungsbereitschaft mangelt, liegt nicht nur am allgemeinen Personalnotstand und Fachkräftemangel, sondern vor allem an denen, die noch da sind.

Und von denen hauptsächlich an den Jungen. – This is how the story goes.

Blog 1b

Was davon belegt ist

Richtig ist, dass die Wirtschaft ein erhebliches Fachkräfteproblem hat.

Noch richtiger: Ein Kräfteproblem, denn es fehlen Menschen an allen Ecken und Enden, auch Springer und Geringqualifizierte. Und richtig ist auch, dass Deutschland ein Innovationsproblem hat. In unseren Vorzeigeindustrien – etwa Automotive – ist uns sogar China 10 Jahre voraus, vom Silicon Valley ganz zu schweigen.

Was wir gut können: Perfektionismus („Made in Germany“) und moralischer Weltmeister sein (grüner Stahl, Windkraft, hohe ökologische Ansprüche), nur beim Perfektionismus in Sachen Realisierung hapert’s. Soweit das Belegbare.

Was nicht belegt ist

Generationen-Studien gibt’s wie Sand am Meer. Abhängig von Breite und Größe der Stichprobe, Land, Formulierung der Fragen (Framing-Effekte) und Auftraggeber kommen gegensätzliche Ergebnisse dabei heraus. Belegen lässt sich hohe Leistungsbereitschaft genauso wie niedrige; Karriereorientierung genauso wie Desinteresse am Aufstieg.

Alles andere wäre allerdings auch seltsam: Dass eine ganze Generation verrückt ist nach Karriere – oder genau das Gegenteil –, gab es weder in der Vergangenheit, noch ist es (jenseits von Ausnahmesituationen) wahrscheinlich, dass es das geben wird.

Aus welchen Gründen sollten Jugendliche - egal, welcher Schicht, wirtschaftlicher oder Bildungs-Situation, aus welchem Milieu und aus welcher Region - mehrheitlich beruflich desinteressiert und lethargisch sein? So weit haben es legalisierter Cannabis-Konsum und Yoga-Kurse dann doch noch nicht gebracht. [Für Eilige: direkt zur Summary]

Wie sonst kommt der Zeitgeist im oberen Management und bei zahlreichen Führungskräften und Verbandsvorsitzenden, Low Performer-Bashing zu betreiben, zustande?

  1. Wo kommt er her,
  2. welches Bedürfnis bedient er und
  3. welchem Zweck dient er?


(1) Wo kommt er her?

Aktuell stehen sich zwei grundverschiedene Leistungs-Leitbilder gegenüber. Die etablierten Generationen, ich nenne sie Achiever, haben verinnerlicht,

  • dass Leistung sichtbar ist (ich sehe, wenn sich jemand reinhängt – abends um 21 Uhr im Büro oder an wirklich jeder Stelle, wo’s gerade brennt).
  • Dass gute Leistung überdurchschnittlich ist. Anerkennung und Belohnung verdient, wer »overdelivert«.
  • Und Anerkennung und Belohnung verdient, wer keine Fehler macht. Perfectionism matters – das Thema hatten wir schon.

Die anderen, ich nenne sie Gerneleister, sehen das nicht so. Sie leisten nur dann, wenn sie das gerne tun können. Und bei null Fehlertoleranz, Messlatten für Übermenschen oder Ausgebrannte und völlig unkalkulierbaren Ergebnis-Ansprüchen (was bedeutet „gut“?) ist das gerne nicht möglich.

Die Etablierten kennen und verstehen das nicht, weil sie die prägende Lebenserfahrung der Jungen, die sie zu Gerneleistern hat werden lassen, nicht gemacht haben: Von jetzt auf gleich aus dem Spiel genommen zu werden, aus heiterem Himmel, und machtlos zu sein. Ein Manager hat verinnerlicht: Wenn ich oben bin, bin ich nie machtlos.

Dass das ein Irrtum ist, wissen heute vorerst vor allem die Jungen.


(2) Welches Bedürfnis bedient er?

Auf C-Level bedient der Zeitgeist Bedürfnisse wie Dominanz, Durchsetzungswille, Machtanspruch, konfrontative und vertikale Kommunikationsmuster, Wertschätzung extrinsischer Motivatoren und Status-Abzeichen für Blinde und Anders-Herausgeforderte (sieht jeder).

Den Gerneleistern verordnet der Zeitgeist:

  • Stets handlungs- und anpassungsfähig bleiben. Unabhängig, ohne Zwänge oder Vorgaben entscheiden können,
  • Abhängigkeiten, Verbindlichkeiten und unnötige Verpflichtungen vermeiden,
  • Echtzeit-Orientierung, also immer flexibel und agil bleiben,
  • sich gegenüber „Sparkonten-Mentalität“ (erst einzahlen und sich reinhängen, später – irgendwann – was 'rausbekommen) zu immunisieren („das Dümmste, was man machen kann“).


(3) Welchem Zweck dient er?

Der Zweck dieser Zeitgeist-Attitüde für etablierte Leader ist offensichtlich: Bis zum eigenen Ausscheiden aus dem System oben, relevant und anerkannt bleiben. In letzter Rille in die Rente rutschen – disruption after me, please.

Sie sind die letzte Generation, die es sich leisten kann (oder das glaubt), per Durchgriffsmacht ihre Pfründe zu sichern und eine Leistungsbereitschaft zu blockieren, die sich aus echtem Interesse speist, weil sie aus der Erfahrung vollumfänglicher Verwundbarkeit erwächst.

„Wenn ich etwas gut finde, häng ich mich voll rein. Alles andere interessiert mich nicht.“

Mal aufgedröselt: Der Zweck der Zeitgeist-Attitüde bei den Jungen (scheinbare Leistungszurückhaltung) ist:

  • sozialer, mentaler und physischer Survival-Druck in einer absehbar ganzen Lebensspanne voller Ungewissheit;
  • den unvergleichlich höheren Anforderungen an psychisches Gleichgewicht entsprechen lernen (Mental Health-Probleme laufen jetzt schon aus dem Ruder);
  • das trainierte Sensorium für plötzliche Breakouts aufrechterhalten und weiter pimpen („ich werde das noch nötig haben“).

Dies ist die erste Generation mit einem trainierten Bewusstsein für ökologische, sozial-gemeinschaftliche, geistig-mentale und berufliche Überlebensrisiken.


Generationenbashing ist eine Ausrede lernunfähiger Führungskräfte und Ausdruck schlechter Führungsleistung.

Warum also?

Weil die Jungen nicht „zu wenig“ leisten, sondern anders leisten. Und so, wie sie leisten, von den aktuellen Führungsverantwortlichen nicht in Leistung gebracht werden.

Das Rumgenöle über mangelnde Leistungsbereitschaft der Jungen ist ein Feigenblatt aus Führungsetagen, die kurz vor ihrem System-Exit ihren Allerwertesten retten wollen und keine Lust haben auf Palastrevolution - kurz vor der Rente. Die gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Situation, die sie damit zementieren:

Wir arbeiten in Strukturen von gestern mit Methoden von heute an Problemen von morgen - vorwiegend mit Menschen, die die Strukturen von gestern gebaut haben und das Morgen nicht mehr erleben werden. Knut Bleicher

Um die Debatte vom Kopf auf die Füße zu stellen: Lernunfähige Leader blockieren Next Performance.

Ärgerlich, aber heilbar.

Friederike Müller-Friemauth
Friederike Müller-Friemauth
zündet Zukunft so, dass sie »von vorn aus« steuer- und führbar wird. Und hilft so beim Überleben in der Multikrise.

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