5 Gesetze der Zukunftsforschung #2

Hat die Zukunftsforschung »Gesetze« oder Prinzipien, nach denen sie arbeitet? Und können die auch andere, etwa Führungskräfte oder allgemein die Unternehmen nutzen? Wir gehen das in loser Folge mal durch, und: Ja, so etwas gibt es! Alles ca. 100 Jahre alt, gut abgehangen also - und im europäischen Wirtschaftsalltag nahezu irrelevant (im Gegensatz zum pazifischen Wirtschaftsraum).


2 Wer weiter voraussieht, hat seltener das Nachsehen

Worum geht's?

Um Zeit. Kein ganz neues Thema fürs Controlling – der Fightclub von Quartalsdenke-Fans gegen Langfrist- und Nachhaltigkeitsplaner wurde bereits vor Jahrzehnten gegründet. Viele Jahre konnte man diesen Streit übersetzen in »Konzernlenker« (und AG’s) versus »Mittelständler« - aber so einfach ist es nicht mehr.

Unternehmerische Bedeutung

Die etablierte Planung in den meisten Unternehmen, unabhängig von Größe und Kultur, setzt auf überschaubare Zeiträume. Kaum ein Planer will in Wolkenkuckucksheimen landen, also kalibrieren wir möglichst weit runter – es müssen ja nicht gleich 3-Monats-Häppchen sein. Allein schon die Zielvereinbarungsrituale zwingen die Firmen auf Einjahresplanung; alles darüber ist ungewöhnlich. Das Denkungsprinzip dabei, das sich kaum vermeiden lässt: Je kürzer der Zeitraum, das heißt je gegenwartsbezogener der Aufmerksamkeitsfokus, desto geringer die Abweichung der Planungsprognose zur Gegenwart. Kürzer: desto »sicherer« die Aussage. Denn ich achte ja auf ziemlich wenig Neues oder Anderes (durch den kurzen Zeitraum) und vernagel mir damit die Sicht auf alles, was nicht im mir bekannten Phänomenhorizont liegt. Wie stehen da wohl die Chancen für Weitsicht, Umsicht und Voraussicht? Dafür, Wandel mit einkalkulieren zu können: VUCA-gerecht zu planen?

Wie kann man diese Einsicht nutzen?

Die Kernkompetenz wissenschaftlicher Zukunftsforschung für Zeit hier in drei Merksätze heruntergebrochen. - Zunächst eine Übersicht: Wir skalieren Zeit »hoch« oder »runter«.

Zeitspiele2

In VUCA-Umfeldern gibt es eine Menge Unerwartbares. Merke (1): Unerwartbares lässt sich überhaupt nicht planen. Und das Überhaupt-nicht wird auch nicht dadurch unproblematischer, dass man kleinteilig plant. Präzision hilft nicht bei Relevanzfragen (-> Gesetz #1, letzter Blogbeitrag) - ein sehr alter, gut verdeckter logischer Fehlschluss. In der Ökonomie haben wir eine Menge solcher Schätzchen im Keller.

Die Zukunftsforschung eicht Zeit noch viel detailreicher als auf dem Schaubild gezeigt, aber als pragmatischer Prüfstein im Führungsalltag reicht das. In welcher Rolle steckst du gerade, mit genau dieser Entscheidung? Merke (2): Je taktischer, desto managementnäher. Je strategischer, desto transformativ-visionärer. Es hilft, beides nicht zu verwechseln. Taktisch etwas geradezurücken oder zu richten mit steilen Visionen, die im Leitbild indiziert sind, ist keine gute Idee. Der Grund, warum Führungskräfte keine Zeitspiele betreiben, ist unserer Beobachtung nach genau diese Unsicherheit: Was ist eine taktische, gegenwartsbezogene Entscheidung, und wo beginnt die strategische Zone? 

Neunmalkluge Akademiker, die jetzt womöglich einwenden, dass diese Hinweise entweder banal oder gar unverschämt seien (»ich kann ja wohl noch Taktik von Strategie unterscheiden!«), stehen nicht unbedingt im realen Leben. Theoretisch stimmt das natürlich. Bloß ist das in VUCA-Kontexten häufig nicht mehr transparent: eine rein taktische Entscheidung kann eine Rutschpartie in Richtung eines neuen Strategiepfades einleiten, ohne dass hinterher noch jemand sagen könnte, was die neue strategische Richtung eigentlich genau ausgelöst hat. Solche Effekte sind typisch für komplexe Umfelder. (Denke aber keiner, die Managementlehrbücher würden in Sachen Strategie & Taktik deswegen nachsteuern...!)

Also: Immer prüfen, was der Vorgesetzte erwartet, hier und jetzt, bei dieser Entscheidung. Was für eine Rolle fülle ich gerade aus, welchen Hut habe ich auf? Gebe ich gerade die Visionärin oder den Ausbügler? Merke (3): Die oberen Ebenen lassen nicht ohne Grund das Mittelmanagement über solche Fragen häufig im Unklaren. Oder sie denken sachlogisch und vergessen schlicht, den Zeithorizont mit zu eichen. Komfortabler Effekt für die Hierarchie: Die Verantwortung für Fehlentscheidungen können bequem nach unten durchgereicht werden, ohne dass die Mitte diese Verantwortung tragen könnte – Monkey Business.

Vergewissere dich über die (Zukunftsforscher würden sagen: zeitlogische) Erwartungshaltung deiner Auftraggeber für die anliegende Planung oder Entscheidung. Gibt es keine (oder kein Briefing), die Planungsentscheidung anhand der illustrierten Kriterien legitimieren. Beispiel: Entscheidung gegen X, weil vor allem taktisch relevant, dadurch zeitkritisch und Managementaufgabe. Oder: Entscheidung für Y, weil Purpose-relevant, dadurch strategiegebunden und resilienzkritisch. Die Erfahrung lehrt: Mit solchen Kriterien sieht man weiter als viele Hierarchiespitzen - und hat seltener das Nachsehen.

Allzeit gute Sicht nach vorn!

Mehr zum Thema »Karriere in New Work«? Hier entlang

Noch keine Kommentare vorhanden

Was denkst du?