Hat die Zukunftsforschung »Gesetze« oder Prinzipien, nach denen sie arbeitet? Und können die auch andere, etwa Führungskräfte oder allgemein die Unternehmen nutzen? Wir gehen das in loser Folge mal durch, und: Ja, so etwas gibt es! Alles ca. 100 Jahre alt, gut abgehangen also - und im europäischen Wirtschaftsalltag nahezu irrelevant (im Gegensatz zum pazifischen Wirtschaftsraum).
Beim Planen empfiehlt es sich, sich die Katze nicht selbst in den Schwanz beißen zu lassen. Erfahrene Controller werden bei Kreislauf- und Schleifenstrukturen misstrauisch. Tatsächlich wird uns häufig eingeredet, dass »Automatismen« oder sich selbst aufschaukelnde Prozesse eine gute Idee seien: ›Realisierst du Innovation X, kaufen die Leute mehr von deinen Produkten, du machst mehr Gewinn und kannst noch mehr tolle Innovationen entwickeln...‹ Die Wirtschaftstheorie ist voll davon.
Dass das nicht immer funktioniert, haben die meisten gemerkt. Die Wirtschaft ist viel zu komplex geworden für solche eindimensionalen Perpetuum mobile-Geschichten. Eine mögliche Konsequenz zum Gegensteuern lautet »Dataismus«, der aktuelle Trend-Reflex. »Miss genau, und du siehst frühzeitig, was funktioniert und was nicht!« (»Früh scheitern« und ähnliche Weisheiten zahlen darauf ein). Die Intuition: Durch Daten falschen Zirkeln schnell auf die Spur kommen.
Also digitalisieren wir und freunden uns ganz langsam mit Madame KI an, die uns vor Zirkeln schützen soll. Klingt vernünftig und alles lässt sich so auch noch faktisch belegen, das Management freut sich. Wissenschaftliche Zukunftsforschung macht indes etwas ganz anderes: Sie stuft die unterkomplex-falsche Zirkelstruktur der bisherigen »Sog«-Ideologien komplexitätsadäquat auf – und dann wird plötzlich ein Schuh aus Zirkeln.
Wie geht das? Nun, hört sich kompliziert an, ist aber ganz einfach. Bloß einmal mehr extrem kontra-intuitiv. Es könnte nämlich sein, dass Durchbruchsinnovationen, also echte, radikale Neuerungen (nicht nur in der Wirtschaft), sicher nicht immer, aber oft das Ergebnis selbstreferenzieller Schleifen sind. In der Evolution läuft die wissenschaftliche Forschung seit Längerem genau darauf hinaus. Zukunftsforschung überträgt diese Erkenntnis aus den Biowisssenschaften auf alle möglichen Sektoren (zum Beispiel auf die Ökonomie) und prüft, was sich damit anstellen lässt.
Anschaulich ist das Beispiel der Idee vom »Social Business«: Dich stören Verwerfungen wie Hunger oder Obdachlosigkeit, die der Kapitalismus verursacht? Gründe ein Unternehmen, um Nahrungs- und Logistikketten zu verändern oder Menschen eine Wohnung zu beschaffen. Das funktioniert auch ganz »kapitalistisch«, also gewinnorientiert (und ist deshalb nicht unmoralischer als ein Non-Profit-Unternehmen, aber dieser Gassenhauer, häufig zu vernehmen, ist ein anderes Thema). Ein weltbekanntes Beispiel haben wir andernorts beschrieben (Muhammad Yunus, Grameen Bank). Warum sind das Zirkel? Weil wir hier das Grundprinzip des Kapitalismus dazu nutzen, um Verwerfungen kapitalistischer Systeme zu kurieren. (Der Homo academicus lästert aus der Ecke: »Da kann jemand offenbar nicht geradeaus denken...«)
Erst einmal realisieren: Zirkel sind mitunter hoch interessant! Sie boostern uns »hoch«, spiralförmig auf ein anderes Niveau. Zirkel mögen sachlogisch »falsch« sein (Ende = Anfang), zeitlogisch sind sie das aber selbstverständlich nie: weil zwischen Anfang und Ende Zeit vergeht und daher das Ende der gleiche Anfang gar nicht sein kann.
Interessant ist das für alle, die höhere Innovationsansprüche haben als der Durchschnitt. Die alte Mär, radikale Innovationen seine Ideenfrüchte kreativer Genies, erodiert ohnehin, aber mit selbstreferenziellen Gedankenspielen wird sie regelrecht ausgehebelt: Man kann »Anders-Ideen« in systematischen Kommunikationsprozessen, die Zirkel-Methoden nutzen, regelrecht »herstellen«.
Solche Methoden werden im pazifischen Wirtschaftsraum intensiv genutzt, bloß sind sie hierzulande: absurd, esoterisch, unlogisch. Das ist nicht die einzige, aber eine gravierende Hürde für radikale europäische Durchbruchsinnovationen. So etwas entspricht nicht dem europäischen Welt- (und Wirtschaftsleit-) bild. Beispiel Materialökologie: Du wendest die evolutionären Bedingungen, die Seidenraupen brauchen, um zu spinnen, einfach im kapitalistischen Produktionsgefüge an, und dann spinnen wachsende Seidenraupenpopulationen (fast) fertige Pullover (genauer: sie spinnen eine vorkonstruierte Form aus, s. Abb.). Je größer die Population, desto mehr Pullover. Keine einzige Raupe wird mehr abgekocht (wie üblich), sondern das Wohlergehen der Population verursacht qualitatives ökonomisches Wachstum.
Magie? Nein. Aber Zeit für völlig neuartige Innovationsmethoden. Das meiste davon liegt inzwischen operativ gut aufbereitet vor. (Details hier.)
Das war's für's Erste mit den Gesetzen der Zukunftsforschung. Es gibt noch mehr, wir setzen das später einmal fort. - Zunächst allseits gute Sicht nach vorn!
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