Anders-Leister, Challenges

Was tun, wenn die Produktivität sinkt? Drei Optionen

Was tun, wenn die Produktivität sinkt? Drei Optionen

Worum geht’s?

Deutschland hat ein Produktivitätsproblem. Der Leistungs-Output im Vergleich zu anderen stimmt nicht mehr. Woran liegt das?

Diskutiert werden etwa Arbeitsstunden - pro Vollstelle 163 Stunden weniger im Jahr sind es bei uns im Vergleich zur Schweiz. Wir haben eine Menge Feiertage und viele Ausfallzeiten wegen Krankmeldungen. Wir haben Hängematten-Syndrom bei den Jüngeren, Wettbewerbsprobleme und fallen zurück.

Staat und Politik sollen die Rahmenbedingungen ändern, wird aus den Unternehmensspitzen und Lobby-Verbänden gefordert. Und die Arbeitnehmer müssten auch wieder mehr ran. Aber wie?

Von innen heraus betrachtet – als Führungsverantwortliche(r) – haben Sie drei Optionen. [Für Eilige direkt zur Summary]

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A    Dem Mainstream folgen

Der Mainstream ist definiert durch [Gewohnheitsinstinkt x Rudelverhalten]. 

Bedeutet: Wenn die Leistung sinkt, muss du den Druck erhöhen, weil sonst das Phlegma der Mitarbeiter siegt und die Komfortzone ungehindert wächst. Das sagen jetzt alle. Klare Kante ist Trend, auch in der Politik; die gibt viel vor. 

Die Welt erlebt zum Beispiel mit, wie effektiv professionelle Verhandlungstaktiken sind, wenn sie konsequent durchgezogen werden. (Ein amerikanischer Präsident, der noch gar nicht im Amt ist, sorgt für den Kotau fast sämtlicher heimischer Monopolisten und vorauseilende Unterwerfungsgesten in vielen Länder, die auf die USA angewiesen sind, u.a.) Lernkurve: Pressure works! Wenn Sie das ständig an jeder Ecke sehen, haben Sie’s irgendwann begriffen.

Der (sehr alte) Code:

  • Fahre Homeoffice bzw. orts- und zeitsouveränes Arbeiten zurück
  • Konfrontiere Work-Life-Balance-Ansprüche mit Betriebserfordernissen, die schließlich den Arbeitsplatz sichern
  • Nutze angespannte Wirtschaftslagen als Argumentationsgrundlage, um Autonomiestandards zu schleifen
  • Verweise auf die (männlichen) Zeitgeist-Vorbilder in Führung und nutze gesamtgesellschaftliche Stimmungslagen, um dir Begründungen zu sparen
  • Übe dich in dosierten, gut positionierten Drohgebärden („langfristig planen können wir gerade nicht, ich fahre die nächsten Monate erst mal auf Sicht“). Latente Unsicherheit hält die Konter-Lautstärke niedrig...

Der »Machiavelli für Manager« wird gerade fleißig weitergeschrieben. 🚀💀

 

B    Experimentieren

»Experimentieren« heißt der Mainstream speziell für Status-Leader und Management-Influencer; Mainstream 2.0 sozusagen. Der Mut, Neues auszuprobieren, im Fall des Scheiterns eine Party zu geben („Fuck-up-Nights“: Die Misserfolge teilen, Lernen anstoßen, Fehlertoleranz feiern) und damit immer weiterzumachen, liegt ebenfalls im Trend. 

Dieses Verhalten ist eine Kopie aus Fernwest – ein Habitus, der auf dem Kontinent systemfremd ist und mit einer sozialverträglichen Marktwirtschaft nichts zu tun hat. Ursprünglich sollte dieses Muster Disruption triggern, Innovationen erzeugen, Nerds motivieren, aber kein Unternehmen zusammenhalten. Wer Moonshots will, muss hoch springen, Achtung Logik – da passt’s hin.

Europäer wollen aber nicht hüpfen, sondern mit unterschiedlichen anderen zusammen vorankommen, ohne in der Vorwärtsbewegung das wieder plattzumachen, was man sich über Jahrzehnte mühsam aufgebaut hat. Unser Programm ist anders. Ob dafür kopfloses Herumprobieren zweckdienlich ist, darf jede(r) für sich entscheiden.


C    Ein anderes, heute besser passendes Leistungssystem etablieren

Stellt sich die Frage, welches. Unser Vorschlag:

  • Ein westliches (es sollte kulturell passen; chinesische Aspirationen sind bislang nicht mehrheitsfähig).
  • Ein modernes, aktuelles (keine Neuauflagen aus dem 19. Jahrhundert à la Mainstream). Grund: Rezepte von anno dunnemals funktionieren bei Jüngeren nicht mehr gut, wohingegen Boomer sie lieben. Sie kennen nichts anderes, so ging »Professionalität« während ihrer Sozialisationsphase. Sie können nichts dafür. (Zur Erinnerung: Der aktuelle Backlash in der Arbeitsorganisation - ➡️ Mainstream - kommt durchgehend von Männern über 50. Lesen Sie CEO-Interviews.)
  • Ein erprobtes. Eines, das eine gewisse Validität und Systematisierung mitbringt. Das messbar und anpassbar ist. Muss ja noch nicht nobelpreisverdächtig sein, aber Businessplan-Level eines Startup nun auch nicht.

Man kann auch andere Maßstäbe nehmen, aber wir bevorzugen diese. Uns überzeugen die Vorteile.


Vor und Nachteile


Und wie entscheiden Sie das jetzt?

Wir kippen mal kurz in die Binse. Jeder entscheidet gemäß limbischem System. Heißt, wir sammeln Argumente für die Entscheidung, die uns jeweils situativ persönlich entspricht.

Wenn dem so ist (was nicht schlimm oder verkehrt sein muss, auch, wenn es niemand hören will), beruht zeitgemäßes, professionelles Entscheiden aus zwei Verhaltensweisen:


(1) Machen Sie sich Ihren Entscheidungsprozess bewusst.

Falls es Ihnen gelingt, sich entscheidungsstrategisch mit Ihrer eigenen Persönlichkeit zu versöhnen, können Sie eine authentische, glaubwürdige Führungsarbeit verrichten und gut legitimierbare Entscheidungen durchsetzen. Das ist mehr, als den meisten Führungskräften vergönnt ist. Es ist die Königsdisziplin von Führung, erfordert aber etwas anderes als dem Rudel zu folgen.

Das Prinzip, das dahinter liegt, ist die zweite Maxime professionellen Führungsverhaltens:


(2) Entscheide dann von innen nach außen. Nicht umgekehrt.

Dieses Prinzip beherzigen im vernunftgesteuerten Europa die wenigsten, weil es sie radikal in Verantwortlichkeit bringt - und vom Rudel trennt. Mainstream und hohe Fehlertoleranz gehen schneller, sind einfacher und vor allem: Mit dem Außen, der „Realität“ (immer gut im Management) zu rechtfertigen. 

Wir hier brauchen Vernunft, um sozial zu überleben. Die anderen nicht. Deshalb sind sie häufig weiter.


Jetzt werden einige hüsteln. Wir argumentieren hier jedoch nicht gegen Vernunft, sondern für ihre Aufstufung. 🧠 #fighting blind spots

Der Code, wenn Sie hirngerecht, also anthropomorph, also „human-like“ entscheiden und Ihre Mitarbeiter führen wollen:

  • Wenn Ihnen Zugehörigkeit wichtig ist, werden Sie dem Mainstream folgen. Und das ist dann auch gut und richtig, weil Ihre psychischen Kosten ansonsten durch die Decke gingen. Es ist klug.
  • Wenn Sie zu Revoluzzertum und Eigensinn neigen, werden Sie auf Disruption abfahren, auf „Hacks“, „Sprunginnovationen“ lieben und Menschen folgen, die die Dinge anders machen. Und sei’s aus Prinzip und Haltung. Auch gut. Dann versuchen Sie, Ihre Leute mitzunehmen und vor unkalkulierbaren Kollateralschäden zu schützen. Das gehört dann zentral zu Ihrem Führungsjob, denn im Experimental-Labor fallen eine Menge durch’s Rost.
  • Wenn Sie eine nüchterne Natur sind, aber durchaus bereit für Veränderungen, möchten Sie diese Änderungen erstmal halbwegs verstehen, bevor sie etwas machen. Sie schätzen ein Mindestmaß an Logik und Konsistenz, dafür sind Sie nicht der Schnellste. Willkommen im Club. In unserer kleinen Leader-Typologie ’21 gehören wir zum dritten Stamm.


Es ist egal, wie Sie ticken. 

Wenn Sie in Führungsverantwortung sind, ist es Ihr Job, gute Entscheidungen für alle zu treffen, die Sie menschenzugewandt durchsetzen können. Das können Sie gut, wenn Sie sich-selbst-gemäß führen.

Machen Sie nicht den Fehler sich einzureden, Ihre Entscheidungen seien eine Frage der Umfeldentwicklungen; dessen, was da draußen passiert. Das ist bloß die Legitimationsstrategie, die sich Europa inzwischen zugelegt hat, um keinen eigenständigen Führungsanspruch mehr formulieren zu müssen. Selbstverzwergung.🪳🍄‍🟫 Lassen Sie das.

Ein kluger Mensch macht nicht alle Fehler selbst. Er gibt auch anderen eine Chance. Churchill


Wir in Europa haben uns auf’s Kopieren verlegt, und genau das spiegelt sich in der Managementdebatte. Oder in der Führungsdebatte. Oder in der Produktivitäts- und Leistungsdebatte. Wir graben Jack Welch aus und feiern die Eighties.

Menschen entscheiden immer auf Basis dessen, was ihre Festplatte zwischen den Ohren ihnen als Reaktion auf das Draußen gerade ausspuckt. Führung bedeutet, diesen Anteil an der eigenen Praxis einzupreisen und kontrolliert zu halten. (Da haben Sie mal zumindest ein Detail über das Nächste Führen, das würde hier zu lang. Es ist so viel leichter als unser aktuelles Führen, weil wir den eigenen mentalen Korridor kennen und begehen, in dem wir sowieso nur handeln. Bloß halten wir jetzt strategisch Spur. Und das schenkt uns extrem viel Energie zurück). 🙌

Summary

Die Produktivität sinkt – was tun?

  1. Zurück ins 19. Jahrhundert. Quick & easy, kein großer Denkaufwand. Jeder weiß, was er zu tun hat. Los!
  2. Versuch & Irrtum. Cool, alle sind locker drauf, an Verantwortung geht keiner krumm. Erzeugt Aufmerksamkeit, gut für Sie. Holen Sie das Maximum raus, manchmal ist sowas ein Selbstläufer.
  3. Strategisch einen Marathon laufen (kein Sprint!). Erfolgsfaktoren identifizieren, ordnen und in enger Kooperation mit Ihren Leuten etablieren. Eine Strategie, die nie aufhört (auf schlau heißt das „unendliche Spiele spielen“ statt endliche). Kein Management-Circle hier mit Meilensteinen, Kick-off und Abschluss! Der Lohn: Sie gründen einen Corporate Tribe. Sie stiften Bindung, Leute »halten aus«. Sie legen intrinsische Motivation grund. Eine privilegierte Führungserfahrung, aber nichts für Leute, die einfach nur gute Ergebnisse wollen.

Merke: That's exactly what your next employees want! 

Macht bloß k(aum)einer. Ihre Entscheidung.

Sie erhalten bei uns viele Tipps, was Sie in Option 3 konkret tun können. Aber zuerst legen Sie Ihre Haltung zur Führungsfrage fest (sonst trieseln Sie von Trend zu Trend). Und falls Sie so weit nicht gehen möchten, verschwenden Sie keine Lebenszeit und lesen Trendreports. Wir sind nur ehrlich.

Aber sagen Sie nicht, Sie hätten keine Option.

Friederike Müller-Friemauth
Friederike Müller-Friemauth
zündet Zukunft so, dass sie »von vorn aus« steuer- und führbar wird. Und hilft so beim Überleben in der Multikrise.

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